Das Grazer Psychologische Laboratorium
Die Anfangszeit
Alexius Meinong: Die Gründung des Grazer Psychologischen Laboratoriums
Die institutionelle Verankerung der Psychologie an der Karl-Franzens-Universität Graz ist ein Verdienst von Alexius Meinong, Ritter von Handschuchsheim. 1853 in Lemberg geboren, wurde er im Sommer 1874 mit Geschichte und Philosophie als Hauptfächer an der Universität Wien promoviert. Auf Anregung von Franz Brentano (1838-1917) habilitierte er sich 1878 an der Wiener Philosophischen Fakultät mit seinen „Hume Studien I. Zur Geschichte und Kritik des modernen Nominalismus“. Als im Jahre 1882 Alois Riehl (1844-1924) einem Ruf an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg folgte, um dort die Nachfolge von Wilhelm Windelband (1848-1915) anzutreten, wurde Meinong auf die nach Riehl freigewordene Lehrkanzel als Extraordinarius für Philosophie von Wien nach Graz berufen; seine Ernennung zum Ordinarius erfolgte im Frühjahr 1889.
Bereits im WS 1886/87 hatte Meinong begonnen, die ersten experimentalpsychologischen Übungen abzuhalten, nachdem er schon 1880 in Wien das erste Kolleg mit Demonstrationsversuchen angeboten hatte (Meinong, 1921, S. 105). Die Herstellung der für die Übungen erforderlichen Geräte wurde aus eigenen Mitteln finanziert. Im Jahre 1893 wurden weitere Apparaturen von Anton Oelzelt-Newin (1854-1925) gespendet (Meinong, 1978, S. 95). Wie Christian von Ehrenfels (1859-1932) und Alois Höfler (1853-1922) zählte auch Oelzelt-Newin (1854-1925) zu jenen Schülern von Meinong, die ihn bereits aus seiner 4-jährigen Wiener Dozentenzeit kannten und mit ihm nach Graz kamen. Dank seiner hartnäckigen Bemühungen konnte Meinong für 1894 vom k.k. Ministerium für Cultus und Unterricht die Bewilligung einer Dotation in der Höhe von 400 Gulden zur Errichtung eines „experimental-psychologischen Apparates“ erwirken. Im Jänner 1895 wurde diese Institution ermächtigt, den Namen „Psychologisches Laboratorium“ zu führen. Der Gerätebestand des Laboratoriums, das im 2. Stock des Hauptgebäudes der Universität untergebracht war, umfasste 1895 etwa 200 Apparate. Im Laufe der folgenden Jahre konnte die apparative Ausstattung u.a. durch Instrumente der Firmen Diehl (Leipzig), Spindler & Hoyer (Göttingen) und Zimmermann (Leipzig) erweitert werden.
Das Grazer Psychologische Laboratorium war das erste seiner Art in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Mit seiner „Gegenstandstheorie“ gab Meinong weitergehend den konzeptuellen Rahmen für die experimentell orientierte gestaltpsychologische Forschung in Graz vor (siehe u.a. Meinong, 1904a). Die Unterscheidung zwischen „fundierenden Gegenständen“ („Inferiora“) und „fundierten Gegenständen“ bzw. „Gegenständen höherer Ordnung“ („Superiora“) bildete die theoretische Grundlage, auf die sich die Grazer Schule der Gestaltpsychologie berief. In seiner posthum erschienenen „Selbstdarstellung“ hat Meinong (1921) die Abhandlung von Christian von Ehrenfels (1890) „Über Gestaltqualitäten“ als die „wichtigste Vorarbeit“ für die Theorie der Gegenstandsfundierung bezeichnet. In einem Beitrag „Über Vorstellungsproduktion“, der in dem von Meinong (1904b) anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Psychologischen Laboratoriums herausgegebenen Jubiläumsband „Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie“ erschien, unternahm Ameseder (1904) den Versuch einer psychologischen Interpretation des Fundierungsbegriffs. Auch Meinong (1904c, S. VIII) sah in dieser Abhandlung „die psychologische Seite der Fundierung“. Ameseder argumentierte folgendermaßen: Damit aus den Inferioravorstellungen Rot und Blau die Superiusvorstellung von der Verschiedenheit der beiden Farben gebildet werden kann, muss ein noch unbekannter psychischer Faktor angenommen werden. Diesen Faktor nannte er „Produktion“ und stellte den nicht produzierten Elementarvorstellungen Rot und Blau die Superiusvorstellung der Verschiedenheit der beiden Farben als „produzierte Vorstellung“ gegenüber. „Produktion“ bedeutet demnach „das Zustandekommen bestimmter Vorstellungen“ (Ameseder, 1904, S. 488). Man kann also sagen: Die Verschiedenheit zwischen den Elementarvorstellungen Rot und Blau wird durch Produktion erfasst.
Stephan Witasek und Vittorio Benussi: Die Protagonisten des Grazer Psychologischen Laboratoriums
Wenige Jahre nach der Errichtung des Laboratoriums zog sich Meinong aus der Experimentalpsychologie zurück, um sich ganz seinen philosophischen Studien widmen zu können. Ein progredientes Augenleiden mag ein weiterer Grund für diesen Entschluss gewesen sein. Die Leitung der experimentalpsychologischen Forschung wurde zunächst von Stephan Witasek (1870 - 1915) übernommen. Er war ein Mitarbeiter der ersten Stunde am Grazer Psychologischen Laboratorium. Er wurde 1895 mit einer Dissertation über "Untersuchungen zur Complexions-Theorie" - mit Philosophie im Hauptfach und Mathematik und Physik im Nebenfach - promoviert. Im Jahre 1899 habilitierte er sich mit einer Arbeit "Ueber die Natur der geometrisch-optischen Täuschungen". Nachdem Witasek 1913 ad personam zum besoldeten Extraordinarius der "Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der experimentellen Psychologie" ernannt wurde, erfolgte 1914 auch seine offizielle Ernennung zum Vorstand des Psychologischen Laboratoriums. Witasek war vielseitig interessiert. Am Anfang seiner Publikationstätigkeit (1895-1901) stehen allgemeinpsychologische Fragestellungen, die wir heute zum Teil der Kognitions- und Emotionspsychologie zuordnen würden. Mit einer Arbeit "Zur Analyse der ästhetischen Einfühlung" (1901) beginnt er sich mit kunstpsychologischen Problemen auseinander zu setzen. Im Jahr 1904 erscheint seine vielbeachtete Monographie "Grundzüge der allgemeinen Ästhetik", die 1913 auch ins Italienische übersetzt wurde. Später treten mit den Monographien "Grundlinien der Psychologie" (1908) und "Psychologie der Raumwahrnehmung des Auges" (1910) wieder allgemeinpsychologische Themen in den Vordergrnd seiner Interessen. Unglücklicherweise verstarb Witasek nur ein Jahr nach seiner Ernennung 1915 im Alter von nur 45 Jahren. Nach dem frühen Tod Witaseks wurde die Laborarbeit von Vittorio Benussi (1878-1927) weitergeführt. Durch ihn erhielt die experimentalpsychologische Forschung in Graz wesentliche Impulse.
Während Witaseks Stärke eher im Bereich der Systematik lag (siehe u.a. sein exzellentes Lehrbuch "Grundlinien der Psychologie"), war Benussi ein genialer Experimentator. Mit seinen einfallsreichen Versuchsanordnungen verschaffte er dem Grazer Psychologischen Laboratorium internationale Anerkennung. Seine Veröffentlichungen wurden in allen bedeutenden europäischen und amerikanischen Fachzeitschriften rezensiert. Der renommierte amerikanische Psychologiehistoriker Edwin G. Boring (1957) gelangte in seinem Werk "A History of Experimental Psychology" zur Auffassung: "Benussi was an able experimenter, in fact, the most productive and effective experimental psychologist that Austria had had" (S. 446).
Der in Triest geborene Benussi inskribierte sich im WS 1896/97 an der Philosophischen Fakultät der Universität Graz. Im Jahre 1901 schloss er sein Studium mit einer Dissertation "Ueber die Zöllnersche Figur" ab. Diese Arbeit wurde in einer erweiterten Fassung 1902 in der renommierten Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane unter dem Titel "Ueber den Einfluss der Farbe auf die Größe der ZÖLLNER´schen Täuschung" publiziert. Im Jahre 1905 habilitierte er sich mit einer Arbeit "Zur Psychologie des Gestalterfassens (Die Müller-Lyersche Figur)", die bereits ein Jahr vorher in dem von Meinong (1904b) anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Psychologischen Laboratoriums herausgegebenen Sammelband "Untersuchungen zur Gegenstandstheorie und Psychologie" veröffentlicht wurde. In einem äußerst bemerkenswerten stroboskopischen Experiment gelang es ihm, stroboskopische und nicht-stroboskopisch bedingte Scheinbewegungen zu induzieren (Benussi, 1912). Als Stimulusmaterial wählte er die ihm aus früheren Experimenten vertrauten Müllersche-Lyersche und Zöllnersche Figurenmuster, die in "Phasenbilder" zerlegten wurden. Im Nachweis nicht-stroboskopisch bedingter Scheinbewegungen sah Benussi einen entscheidenden Hinweis auf die zentrale Stellung der Gestaltauffassung als vermittelnder Prozess ("Produktion") für das Zustandekommen geometrisch-optischer Täuschungen. Diese Sichtweise blieb jedoch nicht unwidersprochen.Vor allem am Problem der Scheinbewegung entzündete sich eine heftige Auseinandersetzung mit Vertretern der Berliner Schule der Gestaltpsychologie, insbesondere mit Kurt Koffka und seinem Mitarbeiter Friedrich Kenkel (1913), die in der von Benussi beschriebenen nicht-stroboskopisch bedingten Scheinbewegung kein Indiz für die Existenz eines vermittelnden psychischen Vorgang sahen.
Benussi befasste sich aber nicht nur mit wahrnehmungspsychologischen Themen. In die Grazer Schaffensperiode fällt auch die Veröffentlichung seiner Monographie "Psychologie der Zeitauffassung" (1913), in der er sehr eingehend die Beziehung zwischen "subjektiver" und "objektiver" Zeit untersuchte. Mit Hilfe des Schumannschen "Zeitsinnapparates" konnte er in Verbindung mit einem "Schallhammer" oder einer von ihm konstruierten "Federpendelvorrichtung" in Vergleichsversuchen Zeitstrecken in einem Genauigkeitsbereich von Millisekunden darbieten.
Benussi setzte sich ferner mit Fragestellungen auseinander, die man heute unter die Rubrik "Psychophysiologie" einordnen würde. In einer Untersuchung über "Die Atmungssymptome der Lüge" (1914) ging er der Frage nach: "Atmen wir anders, wenn wir aufrichtig sind, und anders, wenn wir es nicht sind?" (S. 514). Benussi nahm an, dass die "feineren konstanteren Ausdruckserscheinungen" weder in der Atmungsfrequenz noch in der Atmungstiefe, sondern "in der Innervationsverteilung auf die einzelnen Atmungsphasen" bestünden. Er berechnete deshalb das Verhältnis zwischen Inspirations- und Exspirationszeit und verglich die Inspirations-/Exspirationsquotienten (I/E-Quotienten) der Vor- und der Nachphase eines "Lügenversuchs" mit jenen der Vor- und Nachphase eines "Aufrichtigkeitsversuchs". Die Probanden saßen in einem Liegestuhl. Um die Brust war ein "Mareyscher Pneumograph" angebracht, der mit einem Schlauch an eine "Mareysche Luftkapsel" angeschlossen war. Die Registrierung der Atmungstätigkeit erfolgte auf einem 2.10 m langen berußten Papierstreifen, der durch ein "Kymographion" mit Sekundenmarkierung in Bewegung gesetzt wurde. Die Ergebnisse des Experiments, die als "Quotientengesetze" in die Fachliteratur eingingen, besagen: Wenn Probanden (instruktionsgemäß) die Unwahrheit sagen, sollte der I/E-Quotienten in der Vorphase einer Aussage kleiner sein als in der Nachphase; wenn sie hingegen wahrheitsgemäß antworten, wird erwartet, dass der I/E-Quotient in der Vorphase einer Aussage größer ist als in der Nachphase.
Der Erste Weltkrieg und das Ende der Meinongschen Schule der Psychologie
Die Jahre nach Witaseks Tod erwiesen sich für Benussi als außerordentlich schwierig. Fritz Heider (1896-1988), Meinongs letzter Dissertant und Begründer der Balancetheorie, beschrieb ihn als "a marginal man who stood between two cultures" (1970, S. 134). Zweifellos belastete ihn der Wissenschaftsstreit mit den Vertretern der Berliner Schule der Gestaltpsychologie. Unüberwindbare Schwierigkeiten ergaben sich ferner in den Jahren des Ersten Weltkriegs vor allem aus seiner italienischen Nationalität. Obwohl die Berufungskommission Benussi für die Stelle eines Professors der Philosophie und Leiters des Psychologischen Laboratoriums primo loco reihte, wurde der Vorschlag nicht an das k.k. Kultusministerium weitergeleitet, und zwar um "die nationale Integrität der Universität Graz nicht zu gefährden" (zit. nach Antonelli, 1994, S. 25). Ohne eine seiner Qualifikation angemessene akademische Perspektive, blieb Benussi keine andere Alternative als Graz zu verlassen. Noch im November 1918 kehrte er in seine Geburtsstadt Triest zurück. Im Oktober 1922 wurde Benussi aufgrund seines hervorragenden Rufs ("per chiara fama") ohne Ausschreibungsverfahren zum ordentlichen Professor der Universität Padua ernannt. Tragischerweise nahm er sich am 24. November 1927 im Alter von 49 Jahren das Leben.
Nach dem Weggang Benussis aus Graz stand Meinong wiederum am Anfang seiner Bemühungen um eine Systemisierung der experimentellen Psychologie. Es war nicht gelungen, das schwer erkämpfte und nach Witasek wieder freigewordene Extraordinariat mit Benussi zu besetzen. Wie sich zeigen sollte, war auch niemand anderer aus dem Kreise der damals Habilitierten, wie beispielsweise Ernst Mally (1879-1944), Othmar Sterzinger (1879-1944) oder Otto Tumlirz (1890-1957), in der Lage, die Tradition des international renommierten Grazer Psychologischen Laboratoriums weiterzuführen. So bedeutete der Tod Meinongs am 27. November 1920 - im August des gleichen Jahres verstarb auch Wilhelm Wundt -das Ende der "Grazer psychologischen Schule" (siehe Höflechner, 1997; Mittenecker & Seybold, 1994). Zwar konnte Meinong 1919 die Stelle eines Demonstrators mit dem aus dem Krieg heimgekehrten Ernst Mally besetzen. Mally, ein ehemaliger Schüler Meinongs, hatte sich bereits 1913 für das Fach Philosophie habilitiert. Er übernahm 1922 die provisorische Leitung des Laboratoriums. Im August 1923 wurde er ad personam zum Extraordinarius und am 10. August 1925 als Nachfolger von Meinong zum Ordinarius ernannt. Hierbei handelte es sich allerdings um eine Professur für Philosophie, die keinerlei Lehrverpflichtungen für experimentelle Psychologie vorsah (vgl. Höflechner, 1997, S. 82).
Nach Benussi wurde die Forschungsarbeit im Psychologischen Laboratorium nebenberuflich von Othmar Sterzinger weitergeführt. Sterzinger, der 1912 in Gießen das Doktorat erwarb, habilitierte sich noch 1920 bei Meinong für Experimentalpsychologie. Im Jahre 1928 erhielt er den Titel eines Extraordinarius, 1940 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt (vgl. Höflechner, 1997, S. 83). Seine empirischen Beiträge beschränkten sich jedoch auf aufmerksamkeitspsychologische Untersuchungen (Sterzinger, 1924, 1927) sowie auf tierexperimentelle Studien zur chemischen Beeinflussbarkeit des Zeitsinns (Sterzinger, 1935); später galt wohl sein Hauptinteresse der Kunstpsychologie (1938/39).
Am 13. November 1944 wurde Ferdinand Weinhandl (1896 - 1973) auf die nach Mally vakante Professur berufen. Er wurde im Februar 1919 an der Philosophischen Fakultät der Universität Graz promoviert. Obwohl es Meinong gelungen war, für ihn die Stelle eines Demonstrators am Psychologischen Laboratorium zu erwirken, verließ Weinhandl im Herbst 1919 Graz, um vorerst als Verlagslektor in München tätig zu werden. Im September 1922 habilitierte er sich bei Heinrich Scholz an der Universität Kiel mit einer Arbeit "Zum Problem der Urteilsrichtigkeit" für Philosophie. Weinhandl hatte zwar bei Meinong und Benussi studiert, die von ihm begründete Methode der "Gestaltanalyse" (1927) stellt jedoch keine Weiterentwicklung der Konzepte und Methoden der experimentellen Gestaltpsychologie im Sinne von Witasek und Benussi dar. Dies gilt auch für den von Weinhandl (1960) entwickelten "Gestaltlegetest" (GLT), der sich als eine gestaltanalytische Charakterdeutung versteht.
Der letzte Doktorand Meinongs war Fritz Heider (1896 - 1988). Er schloss sein Studium in Graz mit einer Dissertation "Über die Subjektivität von Sinnesqualitäten" ab. Bald nach Abschluss seines Studiums suchte er - versehen mit einem Empfehlungsschreiben von Benussi - Kontakt zu prominenten Vertretern der Berliner Schule der Gestaltpsychologie (siehe Heider, 1970, S.136). Er besuchte Vorlesungen von Wolfgang Köhler (1887 - 1967) und Max Wertheimer (1880 - 1943); mit Kurt Lewin (1890 - 1947) schloss er Freundschaft. Lewin, der 1947 zum Direktor des "Research Center for Group Dynamics" am MIT (Massachusetts Institute of Technology) ernannt wurde, begründete die psychologische Feldtheorie, ein dynamisches Modell der Analyse individuellen und sozialen Verhaltens, das Grundbegriffe der Gestalttheorie mit physikalischen Begriffen wie "Feld" und "Kraft" zu verbinden versuchte. Im Jahre 1927 ging Heider nach Hamburg, um bei William Stern (1871-1938) eine Assistentenstelle anzunehmen. Zwei Jahre später folgte er einer Einladung von Kurt Koffka nach Northampton (USA), wo er in dessen Laboratorium am Smith College sowie am Psychological Research Department der Clark School for the Deaf arbeitete. Die politische Entwicklung in Deutschland bewog ihn, entgegen seiner ursprünglichen Absicht in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Im Jahre 1947 wurde er Mitglied der Graduate Faculty der University of Kansas. Am Psychological Department der University of Kansas wirkte er seit 1963 bis zu seinem Tod als "Distinguished Professor". Mit seinen bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Attributions- und Balancetheorie (siehe u.a. seine 1958 erschienene Monographie "The Psychology of Interpersonal Relations") wurde Heider zu einem Pionier der modernen Sozialpsychologie.
Eine Einführung in die Methoden, Konzepte und Forschungsthemen sowie eine ausführliche Darstellung der Institutsgeschichte, auf die sich auch der vorliegende Überblick stützt, findet man bei Huber (2007, 2012). Auf die Institutsgeschichte nach 1945 konnte nicht eingegangen werden. Hier möge der Hinweis auf den von Mittenecker und Schulter (1994) herausgegebenen Band "100 Jahre Psychologie an der Universität Graz" genügen. Ein Sonderband der Zeitschrift "Psychologische Beiträge" versucht ferner einen Überblick über die Forschungstätigkeit des Instituts für Psychologie um 2000 zu geben (Huber, 2002). Im Jahre 1990 übersiedelte das Psychologische Laboratorium in das Gebäude Universitätsplatz 2. Ein Teil der historischen Geräte des ehemaligen Psychologischen Laboratoriums sind im Gang des 3. Stocks in einer Dauerausstellung zu besichtigen. Einige dieser Geräte sind an anderer Stelle in einem virtuellen Rundgang kurz vorgestellt worden.
Autor: Helmuth P. Huber
Die Portätfotos wurden dankenswerterweise vom Alexius-Meinong-Institut der Universität Graz zur Verfügung gestellt.
Literatur
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