„Klicken Sie hier, um die allgemeinen Geschäftsbedingungen zu bestätigen.“ Viele KonsumentInnen treffen diese Entscheidung – zumeist online – beinahe täglich. Kaum jemand aber liest, geschweige denn, versteht den Text, mit dem man sich dann vertraglich bindet. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Karl-Franzens-Universität Graz nimmt nun Entscheidungen von VerbraucherInnen zwischen Recht und Psychologie ins Visier. Das Ziel: Regeln, die sich stärker an den psychologischen Besonderheiten menschlichen Verhaltens orientieren und damit die angestrebten Verbraucherschutzziele besser erreichen.
„Die bestehenden Rechtsregeln gehen zum Teil an den menschlichen Fähigkeiten und Motivationsstrukturen vorbei“, sagt Univ.-Prof. Dr. Brigitta Lurger vom Institut für Zivilrecht, Ausländisches und internationales Privatrecht der Uni Graz. Der boomende Online-Handel hat die Situation noch verschärft. In Sekundenschnelle hat man umfangreiche, kaum verständliche und abstrakte Verträge akzeptiert. Die moderne Psychologie zeigt, dass das Entscheidungsverhalten der Menschen von vielen Faktoren abhängt und nicht – wovon Gesetze allerdings oft ausgehen – rein rationalen Mustern folgt.
Wissenschaftliches Neuland
„Seitenlange Informationen oder allgemeine Geschäftsbedingungen spielen im Entscheidungsprozess für oder gegen einen Verbrauchervertrag meist nur eine unerhebliche Nebenrolle“, bestätigt Lurger. Die Juristin führt daher das Projekt gemeinsam mit den PsychologInnen Ao.Univ.-Prof. Dr. Ursula Athenstaedt und Univ.-Prof. Dr. Martin Arendasy durch. Weiters eingebunden sind in den Verhaltenswissenschaften spezialisierte ÖkonomInnen und SozialpsychologInnen aus dem In- und Ausland. Mit diesem fächerübergreifenden Schulterschluss betreten die ForscherInnen zugleich wissenschaftliches Neuland.
Optimierung der Gesetze
In einer ersten Phase wird mit Hilfe von Interviews erhoben, wie sich die bestehenden Rechtsregeln im Entscheidungsprozess für oder gegen einen Vertragsabschluss tatsächlich auswirken. Daran anschließend ist geplant, alternative Bestimmungen zu testen sowie neuro-wissenschaftlich zu untersuchen.
Am Ende des Vorhabens, das bis 2018 anberaumt ist, soll ein Katalog mit Empfehlungen zur Optimierung der Gesetze vorliegen. Lurger ist schon zu Beginn der Arbeit überzeugt: „Es wird radikale Änderungen brauchen. Und das europaweit, denn das Verbraucherrecht ist maßgeblich von der EU geprägt.“
Das Projekt wird im Rahmen der Initiative „Unkonventionelle Forschung“, die außergewöhnliche wissenschaftliche Themen an der Uni Graz speziell fördert, mit rund 450.000 Euro sowie durch das Wissenschaftsressort des Land Steiermark in der Reihe "Die Zunahme von Nicht-Wissen 1. Ausschreibung in der Reihe 'Polaritäten in der Wissensgesellschaft'" in der Höhe von etwa 100.000 Euro unterstützt.